Hesse und andere...

Benutzeravatar
Jeannette-Anna Hollmann
Administratorin
Beiträge: 56161
Registriert: Mi 3. Jan 2018, 11:42
Wohnort: Mönchengladbach/Cologne
Kontaktdaten:

Hesse und andere...

Beitrag von Jeannette-Anna Hollmann » Do 21. Mär 2024, 16:29

Mochte es mir
gehen, wie es wollte.
Ich war selig,
diese Frau in der Welt
zu wissen,
ihre Stimme zu trinken
und ihre Nähe
zu atmen.

-Hermann Hesse-



Benutzeravatar
Jeannette-Anna Hollmann
Administratorin
Beiträge: 56161
Registriert: Mi 3. Jan 2018, 11:42
Wohnort: Mönchengladbach/Cologne
Kontaktdaten:

Re: Hesse und andere...

Beitrag von Jeannette-Anna Hollmann » So 31. Mär 2024, 14:03

Der Frühling ist für alte Leute
meistens keine angenehme Zeit.
So wie der Föhn an den Bäumen rüttelt und jeden alten Baum Ast
um Ast abtastet, ob er ihn nicht
abknicken könne, so rüttelt der
Frühling an den alten Leuten , ob
sie bald morsch genug seien.
Schön ist er aber dennoch.
Ostern 1948
Hermann Hesse !

Benutzeravatar
Jeannette-Anna Hollmann
Administratorin
Beiträge: 56161
Registriert: Mi 3. Jan 2018, 11:42
Wohnort: Mönchengladbach/Cologne
Kontaktdaten:

Re: Hesse und andere...

Beitrag von Jeannette-Anna Hollmann » Do 4. Apr 2024, 15:46

Hermann Hesse
Bäume

Bäume sind für mich immer die eindringlichsten Prediger gewesen. Ich verehre sie, wenn sie in Völkern und Familien leben, in Wäldern und Hainen. Und noch mehr verehre ich sie, wenn sie einzeln stehen. Sie sind wie Einsame. Nicht wie Einsiedler, welche aus irgendeiner Schwäche sich davongestohlen haben, sondern wie große, vereinsamte Menschen, wie Beethoven und Nietzsche. In ihren Wipfeln rauscht die Welt, ihre Wurzeln ruhen im Unendlichen; allein sie verlieren sich nicht darin, sondern erstreben mit aller Kraft ihres Lebens nur das Eine: ihr eigenes, in ihnen wohnendes Gesetz zu erfüllen, ihre eigene Gestalt auszubauen, sich selbst darzustellen. Nichts ist heiliger, nichts ist vorbildlicher als ein schöner, starker Baum. Wenn ein Baum umgesägt worden ist und seine nackte Todeswunde der Sonne zeigt, dann kann man auf der lichten Scheibe seines Stumpfes und Grabmals seine ganze Geschichte lesen: in den Jahresringen und Verwachsungen steht aller Kampf, alles Leid, alle Krankheit, alles Glück und Gedeihen treu geschrieben, schmale Jahre und üppige Jahre, überstandene Angriffe, überdauerte Stürme. Und jeder Bauernjunge weiß, daß das härteste und edelste Holz die engsten Ringe hat, daß hoch auf Bergen und in immerwährender Gefahr die unzerstörbarsten, kraftvollsten, vorbildlichsten Stämme wachsen.

Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit. Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie predigen, um das Einzelne unbekümmert, das Urgesetz des Lebens.

Ein Baum spricht: In mir ist ein Kern, ein Funke, ein Gedanke verborgen, ich bin Leben vom ewigen Leben. Einmalig ist der Versuch und Wurf, den die ewige Mutter mit mir gewagt hat, einmalig ist meine Gestalt und das Geäder meiner Haut, einmalig das kleinste Blätterspiel meines Wipfels und die kleinste Narbe meiner Rinde. Mein Amt ist, im ausgeprägten Einmaligen das Ewige zu gestalten und zu zeigen.

Ein Baum spricht: Meine Kraft ist das Vertrauen. Ich weiß nichts von meinen Vätern, ich weiß nichts von den tausend Kindern, die in jedem Jahr aus mir entstehen. Ich lebe das Geheimnis meines Samens zu Ende, nichts andres ist meine Sorge. Ich vertraue, daß Gott in mir ist. Ich vertraue, daß meine Aufgabe heilig ist. Aus diesem Vertrauen lebe ich.

Wenn wir traurig sind und das Leben nicht mehr gut ertragen können, dann kann ein Baum zu uns sprechen: Sei still! Sei still! Sieh mich an! Leben ist nicht leicht, Leben ist nicht schwer. Das sind Kindergedanken. Laß Gott in dir reden, so schweigen sie. Du bangst, weil dich dein Weg von der Mutter und Heimat wegführt. Aber jeder Schritt und Tag führt dich neu der Mutter entgegen. Heimat ist nicht da oder dort. Heimat ist in dir innen, oder nirgends.

Wandersehnsucht reißt mir am Herzen, wenn ich Bäume höre, die abends im Wind rauschen. Hört man still und lange zu, so zeigt auch die Wandersehnsucht ihren Kern und Sinn. Sie ist nicht Fortlaufenwollen vor dem Leide, wie es schien. Sie ist Sehnsucht nach Heimat, nach Gedächtnis der Mutter, nach neuen Gleichnissen des Lebens. Sie führt nach Hause. Jeder Weg führt nach Hause, jeder Schritt ist Geburt, jeder Schritt ist Tod, jedes Grab ist Mutter.

So rauscht der Baum im Abend, wenn wir Angst vor unsern eigenen Kindergedanken haben. Bäume habe lange Gedanken, langatmige und ruhige, wie sie ein längeres Leben haben als wir. Sie sind weiser als wir, solange wir nicht auf sie hören. Aber wenn wir gelernt haben, die Bäume anzuhören, dann gewinnt gerade die Kürze und Schnelligkeit und Kinderhast unserer Gedanken eine Freudigkeit ohnegleichen. Wer gelernt hat, Bäumen zuzuhören, begehrt nicht mehr, ein Baum zu sein. Er begehrt nichts zu sein, als was er ist. Das ist Heimat. Das ist Glück.

Benutzeravatar
Jeannette-Anna Hollmann
Administratorin
Beiträge: 56161
Registriert: Mi 3. Jan 2018, 11:42
Wohnort: Mönchengladbach/Cologne
Kontaktdaten:

Re: Hesse und andere...

Beitrag von Jeannette-Anna Hollmann » Sa 6. Apr 2024, 10:08

Doch gerne teilt
Das freie Herz von seinen Freuden aus,
Der Sonne gleich, die liebend ihre Strahlen
An ihrem Tag aus goldner Fülle gibt;
Und um die Guten dämmert oft und glänzt
Ein Kreis voll Licht und Lust, solang sie leben.

Friedrich Hölderlin

Benutzeravatar
Jeannette-Anna Hollmann
Administratorin
Beiträge: 56161
Registriert: Mi 3. Jan 2018, 11:42
Wohnort: Mönchengladbach/Cologne
Kontaktdaten:

Re: Hesse und andere...

Beitrag von Jeannette-Anna Hollmann » Sa 6. Apr 2024, 19:16

Wenn Du ein Schiff bauen willst,
dann trommle nicht Männer zusammen,
um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben
und die Arbeit einzuteilen.
Sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem
weiten, endlosen Meer.

Antoine de Saint-Exupéry

Benutzeravatar
Jeannette-Anna Hollmann
Administratorin
Beiträge: 56161
Registriert: Mi 3. Jan 2018, 11:42
Wohnort: Mönchengladbach/Cologne
Kontaktdaten:

Re: Hesse und andere...

Beitrag von Jeannette-Anna Hollmann » Mi 10. Apr 2024, 09:11

Rainer Maria Rilke
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus.
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.

Benutzeravatar
Jeannette-Anna Hollmann
Administratorin
Beiträge: 56161
Registriert: Mi 3. Jan 2018, 11:42
Wohnort: Mönchengladbach/Cologne
Kontaktdaten:

Re: Hesse und andere...

Beitrag von Jeannette-Anna Hollmann » Sa 20. Apr 2024, 03:11

,, Die Welt zu durchschauen, sie zu erklären, sie zu verachten, mag großer Denker Sache sein. Mir aber liegt einzig daran, die Welt lieben zu können, sie nicht zu verachten, sie und mich nicht zu hassen, sie und mich und alle Wesen mit Liebe und Bewunderung und Ehrfurcht betrachten zu können.“

⚘️H. Hesse⚘️


Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast